Schirmherr des bundesweiten Aktionstages Glücksspielsucht ist der Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert.
Erfurt, 16. September 2022/fdr+:
Kinder glücksspielsüchtiger Eltern werden bisher in der Gesellschaft kaum gesehen.
In Thüringen gehen wir von ca. 11.000 Menschen mit einer Glücksspielstörung aus. Viele dieser Menschen haben Kinder. In Deutschland leben bis zu 350.000 Kinder mit einem glücksspielsüchtigen Elternteil, zumeist der Väter. Im Freistaat haben 40,07 % der dokumentierten Thüringer Glücksspieler*innen im ambulanten Hilfesystem eigene Kinder im minderjährigen Alter. Dazu kommt die Dunkelziffer von Betroffenen mit ihren Kindern, die bisher nicht im Hilfesystem angekommen sind.
All diese Kinder sind von der Sucht in der Familie mitbetroffen. In einer Familie mit einem glücksspielsüchtigen Elternteil herrscht eine angespannte Atmosphäre, gekoppelt an Misstrauen und Sorge der Kinder um ihre Eltern. Da der spielende Elternteil häufig abwesend ist, um zu spielen, sind die Kinder verunsichert. Fragen wie „Kann ich Papa/Mama noch vertrauen? Was passiert hier gerade? Verliere ich jetzt meine Eltern? Bin ich dann ganz allein?“ sind Ausdruck der tiefgreifenden Verunsicherung und der Verlustängste der betroffenen Kinder. Hinzu kommen besondere Belastungen und Existenzängste aufgrund finanzieller Probleme durch das Glücksspielen in den Familien. Diese können die körperliche und soziale Situation der Kinder beeinträchtigen. 69,4 % der Thüringer Glücksspieler*innen haben Schulden durch das Glücksspiel. Bei fast allen (88,0 %) stammen die Schulden vom Spiel mit und um Geld. Die durchschnittliche Schuldenhöhe der Betroffenen mit problematischen Schulden beläuft sich auf 46.165,09 Euro. So kann das Geld für Anschaffungen, eine Klassenfahrt, kulturelle Aktivitäten oder den Sportverein für die Kinder fehlen. Oft wird die Glücksspielsucht auch durch die Familienmitglieder nach außen verheimlicht, was Kinder ebenfalls unter Druck setzt, z.B. im Kontakt mit ihren Freund*innen.
Eine weitere Auswirkung kann sein, dass Kinder durch das Leben in einer durch die Sucht geprägten Familie keine angemessenen Verhaltensweisen zur Lösung von Problemen entwickeln können. Das macht sie zur Risikogruppe für eine spätere eigene Suchterkrankung sowie eine Reihe weiterer Gesundheitsrisiken, wie z.B. Depressionen und Angststörungen. Erste durchgeführte Studien kommen bereits zu diesen Ergebnissen.
Leider ist zu befürchten, dass durch die Zustimmung der Thüringer Politik zur weitreichenden Öffnung des Glücksspielmarktes mit der Erlaubnis für Online-Glücksspiel und Online-Sportwetten, für virtuelles Automatenspiel und Großspielhallen, sich die Zahl der Thüringer Glücksspielenden erhöhen wird und in Folge noch mehr Väter und Mütter eine Glücksspielsucht entwickeln und ihre Kinder darin mit gefangen werden.
Der Kindertag ist deshalb Anlass, die Lebensbedingungen dieser Kinder in Thüringen stärker in den Blick zu nehmen und notwendige Hilfestellungen bereitzustellen.
Es gibt bereits gute Angebote für Kinder in schwierigen Lebenslagen. Aber noch viel zu wenig sind die Kinder im Blick, die in einer Familie mit glücksspielabhängigen Eltern aufwachsen. Auch diese Kinder benötigen konkrete Unterstützung!
Quellen:
Buth, S.; Meyer, G.; Kalke, J. (2022): Glücksspielteilnahme und glücksspielbezogene Probleme in der Bevölkerung – Ergebnisse des Glücksspiel-Survey 2021. Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD), Hamburg,
Fachverband Drogen- und Suchthilfe e.V. (2021): Bericht Dokumentation »Pathologische Glücksspieler*innen in der ambulanten Thüringer Suchthilfe«. Erfurt,
Klein, M. & Fischer, L. (2022): Kinder glückspielsüchtiger Eltern: Hintergründe, Risiken, Hilfen,
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